Vier Wochen durch Uruguay – Südamerika „light“ für Anfänger

Februar 2020

Es ist das Weite, das Nichts, das Unscheinbare was ich an diesem Land so anziehend finde. Ungefähr halb so groß wie Deutschland mit gerade einmal 3,5 Millionen Einwohnern, über die Hälfte davon im Raum Montevideo. Entsprechend „leer“ ist das Land.

 

Tranquilo, was übersetzt ruhig oder gelassen bedeutet, beschreibt eigentlich ganz gut das vorherrschende Lebensgefühl in dem kleinsten spanisch sprachigen Land Südamerikas. Weitere Adjektive sind gemächlich, langsam, entschleunigt.

 

Im Stausee Lago Represa Rincón del Bonete wird der Rio Negro zu einer Wasseroberfläche von rund 1.100 Quadratkilometern aufgestaut. Gut doppelt so groß wie der Bodensee. In San Gregorio de Polanco, ein gemütliches Örtchen mit 3.400 Einwohnern und knapp 100 Skulpturen und Wandgemälden, lässt sich gut die Zeit vertrödeln.

 

Rinder, Schafe und vereinzelte Nandus bevölkern das sanft wellige Plateau der Cuchilla de Heado im Landesinneren. Was in Argentinien die Pampa, ist in Uruguay der Campo. Es ist die Heimat der Gauchos, den berittenen südamerikanischen Hirten. Mythen umrankt, in seiner glorifizierten Personifizierung ist er fester Bestandteil der uruguayischen Identität.

 

Staubige Schotterpisten führen zu abgelegenen Estancias – von einfach bis feudal. Links und rechts der Wege ist das Land komplett eingezäunt. Der Stacheldraht belässt die Tiere innerhalb und den unbedacht losmarschierenden Wanderer außerhalb des Privatgeländes.

 

Die Quebrada de los Cuervos (die Schlucht der Raben), in der Provinz Treinta y Tres wurde 1986 der erste Nationalpark Uruguays. Über 100 Meter tief hat sich der Rio Yerbal Chico in das metamorphe Gestein eingegraben und ein vielfältiges und sensibles Ökosystem geschaffen. Eine Kakophonie an Vogelstimmen begleitet uns auf dem Weg durch dichtes Gestrüpp. Darin sehen lassen sich die Lärmer nur selten, einzig die namensgebenden Rabenvögel schweben hoch und erhaben über der Schlucht.

 

Die Atlantikküste. Weiter Horizont, rauschende Brandung, belebende Meeresbrise. Ein Sehnsuchtsort und touristischer Hotspot, der sich in Uruguay über 220 Kilometer erstreckt – von Punta del Este im Süden bis zur brasilianischen Grenze bei Barra del Chuy. Zwischen den zahlreichen Badeorten – von mondän bis Hippie-Paradies – bleibt immer noch genügend einsamer Strand.

 

Für mich der bezauberndste Ort an dieser Küste: Cabo Polonio. Ein abseitiges, flippiges Hüttendorf, ohne externe Stromversorgung. Gelegen in einem Nationalpark am Rande von bis zu 70 Meter hohen Wanderdünen. Zu erreichen nur per Pedes oder mit dem öffentlichen Nahverkehr, der mit alten Allrad-Militärlastwagen betrieben wird. Seelöwen faulenzen in der Sonne auf den Felsen vor dem Leuchtturm. Und wenn in einer dunklen Neumondnacht das Meer zu fluoreszieren beginnt, glaubt man sich in einer anderen Welt.

 

In Colonia del Sacramento, der ältesten Stadt des Landes (1680 von Portugiesen gegründet) weht ein kolonialer Flair durch die engen gepflasterten Gassen. Die von der UNESCO 1995 zum Weltkulturerbe erhobene Altstadt zieht jede Menge Besucher an, die meisten aus Argentinien. Die 13 Millionen Einwohner Metropole Buenos Aires liegt nur eine Stunde mit der Fähre über den Rio de la Plata entfernt. Am Abend machen die vielen Tages-Touristen Platz für eine beschauliche Stimmung und nun kann Colonia del Sacramento ihren unwiderstehlichen Charme entfalten.

 

Montevideo im Ausnahmezustand. Zeremonielle Amtsübergabe an die neue Regierung. Riesen Tohuwabohu. Hunderte berittene Gauchos aus sämtlichen Provinzen traben mit wehenden Fahnen durch die abgesperrte Einkaufsmeile Avenida 18 de Julio um ihren Kandidaten, Luis Alberto Lacalle Pou, zu feiern. Er führt ein mitte-rechtes Wahlbündnis und löst nach 15 Jahren die Regierung der linken Frente Amplio ab.

 

Montevideo im Normalzustand. Ein gemächliches Metropölchen. Disziplinierter Straßenverkehr, Zebrastreifen werden strikt beachtet. An der zentralen Plaza Independencia reihen sich aus unterschiedlichsten Epochen allerlei Paläste, deren unbestrittene Diva der Palacio Salvo ist. In der Stadt finden sich zahlreiche weitere architektonische Perlen, viele aus der Zeit des Art Déco. Straßenzüge mit bröckelnden Fassaden und hohlaugigen, verfallenden Gebäuden zeigen die weniger glänzende Seite Montevideos. Vielleicht ist es die authentischere. Das wahre Gesicht der Stadt, das hinter den Fassaden, bleibt dem flüchtigen Besucher verborgen.

 

Das Museo de la Revulución Industrial in Fray Bentos am Rio Uruguay ist unbedingt einen Abstecher Wert. Hier brodelte einst die „Küche der Welt“. Das Erfolgsrezept der 1863 gegründeten Liebig`s Company (ab den 1920er Jahren Frigorífico Anglo) war der Brühwürfel und das Corned Beef in Konserven. Das Eine als proteinreicher Energieriegel, das Andere als nährstoffloser Magenfüller. Eine eigene Stadt für die Arbeiter – meist Immigranten, aus mehr als 60 Nationen – wurde um die Fabrik errichtet. Es war die erste Stadt des Landes mit Elektrizität. Seit 1979 ist die Produktion eingestellt und vor fünf Jahren wurde das ehemalige Betriebsgelände als Kulturelle und Industrielle Landschaft Fray Bentos in die Welterbestätten aufgenommen.

 

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