Reisenotizen von der polnischen Ostseeküste

September 2019

 

Słowiński-Nationalpark

Über 40 Meter hohe Wanderdünen, aus deren Talsenken Baumskelette ragen. Kilometerlange einsame Sandstrände, schilfumgürtete Seen, dazwischen ausgedehnte Kiefernwälder, prägen den schmalen Küstenstreifen des Nationalparks, von der UNESCO zum Biosphärenreservat deklariert. Stundenlang an der Waterkant entlang spazieren. Das Rauschen der Brandung in den Ohren, einen weiten Horizont vor Augen, den salzigen Geschmack des Meeres auf der Zunge, den Wind im Gesicht. Ideal, um die Seele baumeln zu lassen. Im Hier und Jetzt sein. Vollkommen zweckfrei.

   

 

Danzig/Gdańsk

Seit meinem letzten Besuch vor 13 Jahren viel Neues. Neben dem berühmten Tor zur Danziger Werft, direkt hinter der Gedächtnismauer, beherbergt ein gigantischer, mit rostigen Stahlplatten verkleideter Kubus seit 2014 ein Europäisches-Solidarność-Centrum. Der bunkerartige Bau symbolisiert wohl die Belagerungszustände durch die Arbeiter 1980, die schließlich den Fall des sozialistischen Systems einläuteten.

Wie aus einer anderen Welt, der Schwerkraft trotzend ragt der Bau des Museums des Zweiten Weltkrieges schräg in den Himmel. Über die inhaltliche Ausrichtung wurde ja teils heftig und kontrovers debattiert, die architektonische Gestaltung ist in jedem Fall atemberaubend.

Von den zahlreichen Hochhäusern, die in der Nachbarschaft hochgezogen werden, lässt sich dies wohl nur von einem aussichtsreichen Blick aus den oberen Etagen sagen. Von der Erde aus gesehen wirken sie auf mich eher bedrohlich. Gelungen finde ich dagegen die Sanierung des östlichen Ufers der Alten Mottlau, gegenüber des bekannten Krantors. Die neue Baltische Philharmonie trägt ebenso den ziegelroten Backstein, wie das Rechtstädtische Rathaus oder die mächtige Marienkirche. Ganz modern im Vintage-Style, werden Stadtrundfahrten von elektrisch betriebenen Oldtimer-Repliken angeboten.

Neben und zwischen dem in vielerlei Hinsicht historischem Danzig treibt die Moderne ihre stilistischen Blüten. Noch warten riesige Areale der alten Werft auf eine neue Erschließung, bis dann letztendlich der Schiffsbau in Danzig auch Geschichte sein wird.

 

 

 

 

Słupsk - Witkacy-Museum

Stanisław Ignacy Witkiewicz (1885 - 1939), bekannt unter seinem Künstlernamen Witkacy, war einer der wichtigsten polnischen Künstler der Zwischenkriegszeit. Der Formalist vertrat als Maler, Dramaturg, Kunsttheoretiker, Schriftsteller, Fotograf und Philosoph die Kunst der reinen Form, alleinig dem Selbstzweck bestimmt. Die weltgrößte Sammlung seiner Gemälde findet sich in dem kleinen Städtchen Słupsk. Den Grundstock mit 110 Bildern kaufte das Mittelpommersche Museum 1965 vom Sohn eines mit Witkacy befreundeten Arztes. Seit Juli 2019 sind im historischen, frisch renovierten Weißen Speicher modern ausgestattete Ausstellungen auf vier Stockwerken dem Künstler und Analogien zu seinem Schaffen gewidmet. Was leider in den spannenden Ausstellungen fehlt sind seine fabelhaften metaphysischen Fotografien. In Deutschland ist dieser vielseitig schaffenskräftige Avantgardist nur wenig bekannt.

  

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